Berliner Tierschutzverein fordert mehr Engagement zum Wohl der Tiere von der Politik

Der Tierschutzverein für Berlin (TVB) hat sich mit einem Schreiben an die Parteien sowie Fraktionen im Berliner Abgeordnetenhaus gewandt. Darin formuliert der Verein tierschutzpolitische Ziele für die neue Legislaturperiode. Bereits unter der alten rot-rot-grünen Regierung hatte sich in Berlin einiges in Sachen Tierschutz getan: So wurde die Position einer hauptamtlichen Landestierschutzbeauftragten geschaffen, das Tierschutzverbandsklagerecht eingeführt sowie eine umfassende Katzenschutzverordnung beschlossen.

„Das sind echte Tierschutzmeilensteine, für die wir jahre- und teils sogar jahrzehntelang gekämpft haben“, freut sich Eva Rönspieß, stellvertretende Vorsitzende des TVB, „aber es gibt keinen Grund, sich auf den Lorbeeren auszuruhen. Um dem Staats- und Landesziel Tierschutz gerecht zu werden, muss die neue Regierung intensive Tierschutzpolitik machen und ebenfalls die Themen anpacken, an denen bisher nichts oder nicht genug passiert ist.“

Das Schreiben nennt insgesamt folgende 13 konkrete Punkte:

  • Einführung einer Tierheimpauschale
  • Stärkung des behördlichen Vollzugs und der Kontrolle
  • Abschaffung der Rasseliste
  • Schaffung von Hundefreilaufflächen
  • Stärkung der Ersatzmethoden-Forschung zu Tierversuchen
  • Erarbeitung eines konkreten Ausstiegsfahrplans aus den Tierversuchen
  • Stärkung des Hochschulgesetzes
  • Einführung einer Solidaritätsabgabe für Tiere aus dem Labor
  • Etablierung tierfreier Ernährung in öffentlichen Einrichtungen
  • Einführung eines Böllerverbots
  • Einrichtung eines berlinweiten Taubenmanagements
  • Durchsetzung eines Wildtierverbots im Zirkus
  • Einführung eines Nutzungsverbotes von Pferden zu kommerziellen Zwecken

„Mit unserem Schreiben möchten wir die künftige Regierung ermutigen, den begonnenen Weg weiterhin konstruktiv und beherzt zu beschreiten“, erklärt Eva Rönspieß, „Tierschutz ist im Gesetz verankert – doch er muss auch entsprechend umgesetzt, kontrolliert und fortlaufend weiter verbessert werden. Nur so können wir das Wohl für alle Tiere Berlins sicherstellen.“

Im Folgenden sind die o.g. Punkte erläutert:

  • Einführung einer Tierheimpauschale
    Da wir ein ausschließlich spendenfinanzierter Verein sind, benötigen wir finanzielle Zuwendungen. Mit dem Tiersammelstellenvertrag wurde eine solide Finanzierung von Fundtieren eingeleitet. Davon unberührt sind all die Tiere, die von Berliner*innen aus persönlichen Gründen bei uns abgegeben werden. Diese Tiere finden bei uns ein liebevolles, temporäres Zuhause bis zu ihrer Vermittlung. Das kann wenige Stunden (Katzenbaby) oder mehrere Jahre (Listenhund) dauern. Diese unglaublich wertvolle Arbeit gilt es entsprechend wertzuschätzen. Ferner gilt es, bürokratische Hindernisse bei der Beantragung von öffentlichen Geldern abzubauen sowie für gemeinnützige Vereine die Zinsen für Rückzahlungen von Zuwendungen drastisch zu senken.
  • Stärkung des behördlichen Vollzugs und der Kontrolle
    Viele der in Berlin für den Vollzug und die Kontrolle des Tierschutzes zuständigen Veterinärbehörden beklagen, dass sie überlastet sind und das Tierschutzrecht aus Personal und Zeitmangel nicht effektiv durchsetzen können. Dadurch besteht im Bereich des Tierschutzes in Berlin ein erhebliches Vollzugsdefizit. Erst mit ausreichend engagierten Mitarbeitenden lassen sich Tierschutzprobleme wie der illegale Welpenhandel oder der Handel mit Exoten sowie deren Zurschaustellung auf Messen begegnen. Ferner leidet auch die zuständige Abteilung für die Genehmigung und die Überwachung von Tierversuchen im LAGeSo unter einem Vollzugsdefizit.
  • Abschaffung der Rasseliste
    Nach der aktuellen HundeG-DVO (Hundegesetzdurchführungsverordnung) gelten in Berlin derzeit Pitbull Terrier, American Staffordshire Terrier und Bullterrier sowie Kreuzungen dieser Rassen als gefährlich. Die Gefährlichkeit eines Hundes lässt sich jedoch nicht an seiner Rasse festmachen, sondern muss individuell durch die Veterinärämter eingestuft werden. Bissvorfälle lassen sich nicht nur durch eine Gefährlichkeitseinstufung nach Rassezugehörigkeit reduzieren. Übergriffe durch Hunde sind in den meisten Fällen auf eine Fehlinterpretation des Verhaltens des Tieres, falsche Haltung oder gewaltsame Erziehung zurückzuführen. Um das Zusammenleben von Hund und Mensch zu harmonisieren sowie die Zahl der in Tierheimen abgegebenen Hunde zu senken, kann die Einführung einer verpflichtenden Sachkundeprüfung für Hundehalter*innen nach niedersächsischem Vorbild helfen. Ferner fordern wir, dass landeseigene Wohnungsgenossenschaften Listenhunde in ihren Wohnungen erlauben.
  • Schaffung von Hundefreilaufflächen
    In den vergangenen Jahren ist die Zahl der Hunde in Berlin kontinuierlich gestiegen. Jedoch mangelt es berlinweit an Auslaufflächen. Bewegungsfreiheit und freie Kontakte zu Artgenossen sind jedoch Grundvoraussetzung einer tiergerechten Haltung von Hunden.
  • Stärkung der Ersatzmethoden-Forschung zu Tierversuchen
    Die Förderung der Ersatzmethoden-Forschung wurde lange vernachlässigt, da der Schwerpunkt der Forschung auf einer Reduzierung der Tierzahlen (Reduce) und einer Verbesserung der Versuche (Refine) lag. Innovative Zukunftsforschung braucht allerdings den Fokus auf Replace. Ferner muss das Land Berlin mit Partner*innen aus Wissenschaft und Forschung sicherstellen, dass erfolgversprechende Methoden ebenfalls in Validierungsverfahren überführt werden.
  • Erarbeitung eines konkreten Ausstiegsfahrplans aus den Tierversuchen
    Aus ethischen und methodischen Gründen ist der Ausstieg aus den Tierversuchen unausweichlich. Um langfristig nicht den Anschluss an eine moderne, humanbasierte Spitzenforschung zu verlieren und den längst überfälligen Paradigmenwechsel hin zu zukunftsweisenden tierversuchsfreien Verfahren einzuleiten, braucht es in Berlin einen konkreten Ausstiegsplan aus den Tierversuchen. Der Ausstiegsfahrplan gibt den Rahmen für Wirtschaft und Wissenschaft vor, Tierleid zu beenden. So könnte ein erster Schritt in solch einem Fahrplan sein, Tierversuche mit dem Schweregrad 3 zu verbieten.
  • Stärkung des Hochschulgesetzes
    Acht Bundesländer haben in den vergangenen Jahren bereits die studentische Ausbildung ohne zwingende Tierversuche im Hochschulgesetz verankert. An Berliner Hochschulen gehören Tierversuche jedoch noch immer zum universitären Alltag und sind beispielsweise an den Fachbereichen Veterinärmedizin oder Biologie Pflichtbestandteil der Ausbildung. Die Arbeit mit lebenden Tieren muss auf das Mindestmaß reduziert und langfristig verboten werden. Stattdessen sollte mit Spendertiere gelehrt werden. In der Lehre muss verbindlich festgeschrieben werden, Ersatzmethoden zu verwenden.
  • Einführung einer Solidaritätsabgabe für Tiere aus dem Labor
    Manche Versuchstiere überleben und können nach dem Versuch ein beschwerdefreies Leben führen. Die Betreuung und Vermittlung erfolgt hauptsächlich über Tierschutzvereine, die mit der pflegerischen sowie finanziellen Verantwortung für ehemalige Versuchstiere meist allein gelassen werden.
  • Etablierung tierfreier Ernährung in öffentlichen Einrichtungen
    Es ist ausreichend erwiesen, dass eine pflanzenbasierte Ernährung nicht nur enormes Tierleid erspart, sondern auch ein effektives Mittel gegen Klimawandel und Welthunger ist und
    zahlreiche Vorteile für die menschliche Gesundheit bietet. Auch die Bereitschaft der Bevölkerung, gänzlich oder teilweise auf tierische Produkte zu verzichten, steigt stetig. Die öffentliche Gemeinschaftsverpflegung (Schulen, Kitas etc.) in Berlin kann hier mit gutem Beispiel vorangehen und die Berliner Bürger*innen etwa durch Einführung eines pflanzlichen Tages pro Woche dazu anregen, die große Varianz der veganen Küche zu entdecken.
  • Einführung eines Böllerverbots
    Der Krach von Böllern und die Lichtblitze der explodierenden Feuerwerkskörper versetzen jedes Jahr aufs Neue Wild- sowie Haustiere in Angst und Schrecken. Für zahlreiche Tiere endet die Silvesternacht sogar mit dem Tod. So kommt es vor, dass Tiere in Panik auf die Straße laufen und überfahren werden. Vögel fallen auf der Flucht vor Feuerwerkskörpern erschöpft vom Himmel oder fliegen orientierungslos gegen Scheiben und brechen sich dabei das Genick. Doch die Müll-, Lärm- und Feinstaubbelastung ist nicht nur für die Tiere immens, sondern ebenfalls schädlich für Menschen und Umwelt.
  • Einrichtung eines berlinweiten Taubenmanagements
    Stadttauben sind verwilderte Haustiere. Heimatlos sind sie in Berlin zahlreichen Gefahren ausgesetzt. Viele der ca. 10.000 Stadttauben sind in schlechtem Gesundheitszustand, finden weder artgerechtes Futter noch geeignete Brutplätze und werden von den Bürger*innen als Plage angesehen. Durch betreute Taubenschläge in Kombination mit Auffangstationen kann sowohl die Vermehrungsrate als auch das Leid der Tiere nachweislich verringert werden.
  • Durchsetzung eines Wildtierverbots im Zirkus
    Zahlreiche Kontrollen haben gezeigt, dass die tiergerechte Haltung von Wildtieren im Zirkus nahezu unmöglich ist. Oftmals gibt es am Gastspielort noch nicht einmal Gras, sondern nur Beton unter den Füßen. Die langen Transporte sind für die Tiere anstrengend und das Platzangebot entspricht nicht ihren Bedürfnissen. Wildtiere wie Elefanten, Giraffen und Großkatzen entwickeln in fahrenden Unternehmen untypische Verhaltensweisen und leiden sichtbar. Auch Hunde, Katzen und Gänse sollten keine Kunststücke vorführen müssen. Wir begrüßen daher vollständig tierfreie Zirkusse.
  • Einführung eines Nutzungsverbotes von Pferden zu kommerziellen Zwecken
    Pferde sind Fluchttiere. Dennoch werden sie für die kommerzielle Nutzung als Kutschpferde auf Berlins vielbefahrenen Straßen eingespannt. Trotz des Erlasses der Berliner Leitlinien für Pferdefuhrwerksbetriebe bestehen weiterhin enorme Missstände, beispielsweise bei der Einhaltung der Pausenzeiten auf weichem Grund oder dem Hitzefrei-Gebot.
    Ferner gilt es, den Pferdesport sowie Pferderennen zum Schutz der Tiere stärker zu kontrollieren sowie zu reglementieren und insbesondere die ausschließliche Anwendung gewaltfreier Trainingsmethoden durchzusetzen.