Berliner Tierschützer protestieren gegen Werbung für Circus Voyage
Offener Brief an Olf Dziadek, Geschäftsführer des Stadtportals berlin.de
Sehr geehrter Herr Dziadek,
von zahlreichen besorgten Berliner Tierfreunden wurden wir darauf aufmerksam gemacht, dass auf der Homepage das Landes Berlin der Weihnachtszirkus Voyage als ein Circus mit tierischem Spaß und tierischem Spitzenprogramm beworben wird.
„Zahlreiche neue Attraktionen sowie langjährige Publikumslieblinge versprechen tierischen Spaß für Groß und Klein.“
Quelle: https://www.berlin.de/events/x/5506896-5507040-berliner-weihnachtscircus-am-olympiastad.html#slide1
„Anschließend genießen Sie ein … tierisches Spitzen-Programm .,..“
Quelle: https://www.berlin.de/clubs-und-party/silvester/x/5503854-5419925-silvester-im-original-berliner-weihnacht.html
Der Tierschutzverein für Berlin und Umgebung Corp. e.V. und der Bund gegen Missbrauch e.V. appellieren hiermit an Sie, diese Werbung schnellstmöglich einzustellen.
Wie Sie vielleicht wissen, wurde in der vergangenen Woche dem Weihnachtscircus die Genehmigung durch den Senat verwehrt. Er wird also im Dezember nicht auf der Fläche am Olympiastadion gastieren.
Innensenator Geisel setzte hier ein deutliches Zeichen für den Wildtierschutz.
Warum wir Sie darum bitten, den Weihnachtscircus nicht zu bewerben, möchten wir im Folgenden kurz erläutern:
Das Mitführen von Wildtieren in reisenden Zirkusbetrieben wird seit mehr als 20 Jahren in Deutschland zunehmend kritisch betrachtet. Zahlreiche auf ethologischen, biologischen und veterinärmedizinischen Erkenntnissen beruhende wissenschaftliche Studien dokumentieren die Missstände der Wildtierhaltung in Zirkussen. Unstrittig dürfte sein, dass Wildtiere besonders hohe Anforderungen an ihre Unterbringung, Beschäftigung, Ernährung und Pflege in menschlicher Obhut stellen. Diesen Ansprüchen können reisende Zirkusbetriebe schon aus ganz praktischen Gründen nicht gerecht werden. Bereits die häufig notwendigen Transporte und Ortswechsel sind mit erheblichem Stress für die Tiere verbunden. Zirkustiere müssen zudem einen Großteil ihres Lebens in engen Transportwagen verbringen. Nicht zu vergessen ist auch die Dressur der Wildtiere, die oftmals nur durch Zwang- und Strafmaßnahmen zum gewünschten Erfolg führt. Hinter den vermeintlichen Attraktionen verbergen sich nicht selten lang anhaltende Leiden der Tiere, die mit der Unversehrtheit der Würde von Wildtieren nicht in Einklang zu bringen sind.
Die Erfahrung zeigt daher, dass eine Reihe von Tierarten im reisenden Zirkus nicht verantwortbar mitgeführt werden können. Beispielsweise bestätigen vierzehn der namhaftesten Freilandforscher, die sich seit Jahrzehnten mit Elefanten in freier Wildbahn beschäftigen, dass Elefanten in Zirkussen bereits aus grundsätzlichen Erwägungen nicht verhaltensgerecht untergebracht werden können. Unter anderem kann das komplexe Sozialverhalten nicht ausreichend berücksichtigt werden, da es u.a. keine einzige Haltung in Mutterlinien o.ä. Familienverbünden in Zirkussen gibt. Auch die noch vereinzelt in Zirkussen mitgeführten Flusspferde werden in Zirkussen stets einzeln gehalten, obwohl es sich um hochsoziale Säugetiere handelt.
Die immer wieder vorgetragene Behauptung, im Zirkus gehaltene Wildtiere seien an ein Leben in menschlicher Obhut angepasst, lässt sich hingegen wissenschaftlich nicht belegen. Im Gegenteil: Wildtiere hatten im Gegensatz zu domestizierten Tieren keine Zeit sich im Laufe von Jahrtausenden durch Zucht, Selektion bestimmter Eigenschaften und Verlust natürlicher Verhaltensweisen an ein Leben in Menschenhand anzupassen. Auch wenn manche Wildtiere bereits in menschlicher Obhut geboren werden, haben sie dennoch dieselben natürlichen Bedürfnisse wie ihre wild lebenden Artgenossen.
Nicht zuletzt belegen die zahllosen Erfahrungsberichte deutscher Amtstierärzte, die regelmäßig Kritik an den völlig unzureichenden Vollzugsmöglichkeiten ausüben, wie groß der politische Handlungsbedarf ist. So lehnt auch die Bundestierärztekammer das Mitführen von Wildtieren in reisenden Zirkusunternehmen grundsätzlich ab.
Da die Problematik nur durch eine Änderung des Tierschutzgesetzes erreicht werden kann, haben die Bundesländer in Jahren 2003 bis 2016 bereits drei Bundesratsinitiativen gestartet, um zumindest bei besonders problematischen Wildtierarten ein Mitführverbot im Zirkus zu erwirken. Dabei sind sich die Länder in ihrer Einschätzung einig, dass unter anderem Elefanten, Giraffen und Flusspferde mit hoher Wahrscheinlichkeit erheblich unter den Haltungsbedingungen leiden – selbst wenn keine schwerwiegenden Verhaltens- oder Gesundheitsstörungen sichtbar sind; also genau jene Arten, die seit Jahren im Berliner Weihnachtszirkus als vermeintliche Attraktion mitgeführt werden.
Sehr geehrte Damen und Herren, die unterzeichnenden Tierschutzverbände fordern Sie auf, als Betreiber der Hauptstadthomepage ein Zeichen zu setzen und Veranstaltungen nicht zu unterstützen, welche im Verdacht stehen, Tierquälerei Vorschub zu leisten und die Seite auf der Homepage www.berlin.de zu löschen.
In Erwartung Ihrer Antwort, die wir gerne unseren zahlreichen Mitgliedern in Berlin weiterleiten werden, verbleiben wir
mit freundlichen Grüßen
Tierschutzverein für Berlin und Umgebung Corp. e.V.
Claudia Hämmerling (2. Vorsitzende)
Bund gegen Missbrauch der Tiere e.V., Geschäftsstelle Berlin
Rolf Kohnen (Leiter der Geschäftsstelle)
Ein PDF des Original-Briefs finden Sie HIER.